“Einmal Lump, immer Lump” – mit diesem Vorurteil haben viele Strafgefangene zu kämpfen. Auch mir war beim ersten Einsatz für das Leonhard-Projekt „Unternehmertum für Gefangene“ vor 1 ½ Jahren in der Stadelheimer Vollzugsanstalt etwas mulmig zumute. Die ersten Minuten im Gefängnis gaben mir auch gleich einen intensiven Eindruck in Sachen „eingeschränkte Bewegungsfreiheit & Langeweile“. Nach der Eingangskontrolle und einem 100 Meter Marsch über den Hof warte ich mit 19 Männern, die mir äußerst aufmerksam die Hand schütteln und im Anschluss ihre Arme wieder verschränken auf weniger als 20 Quadratmetern darauf, durch die nächste Tür von dem Schließer gelassen zu werden. Aufschließen – zuschließen im Ein-Minuten-Takt -. Insgesamt viermal bis zum Trainingsraum. „Da hast Du Zeit zum Nachdenken!“ Schießt es mir durch den Kopf.
Kein rettendes Smartphone zur Ablenkung in Sicht
Wir „Nichthäftlinge“ würden in dieser angespannten Aufzugsituation natürlich sofort versuchen, die Zeit am Smartphone ‚sinnvoll‘ zu überbrücken. Das ist hier schon mal ausgeschlossen! Also Einatmen & Ausatmen …
Rückmeldungen ohne diplomatische Umwege
Szenenwechsel, im zum Seminarraum umgebauten Keller sitzen mir in Hufeisenform hinter Tischen nun 19 hellwache und sehr direkte Menschen gegenüber, von denen mir einer gleich mal eine Rückmeldung zu meiner Wirkung gibt. Deniz fragt: „Sie sind doch Zivilpolizist, oder!?“ Das lässt mich erst mal kurz schlucken und macht dann aber meinen Einstieg in die Arbeit mit dem Schwerpunkt „Körpersprache“ ungewohnt einfach, da ich hiermit die Einladung bekommen habe, schnörkellos zu antworten. Das beschleunigt den gemeinsamen Lernprozess enorm.
Die Pionierleistung von Herrn Jopen und seiner Tochter
Was die Beiden vor mehr als 5 Jahren gegen massive Widerstände von allen Seiten mit dem Projekt ins Leben gerufen haben, davon profitieren seitdem nicht nur die Insassen, sondern auch viele Unternehmer, Trainer und Führungskräfte. Denn es hat sich so langsam herum gesprochen, wie viel beide Seiten voneinander lernen können. Die Gefangenen in diesem Programm verfügen über menschliche und unternehmerische Energie in Hülle und Fülle. Mich beeindruckt diese Aufbruchsstimmung, nämlich motiviert ein anderes Leben zu führen und in der Gesellschaft wieder Fuß zu fassen, bei den Workshops immer wieder.
Sie absolvieren die Prüfung zum „Innovation & Business Creation Specialist“
Am Ende des 20-wöchigen Unterrichts legen die Teilnehmer die Prüfung zum „Innovation & Business Creation Specialist“ ab. Darauf können sie dann mit einem Bachelor of Arts (B.A.)-Studium aufbauen.
Sie lernen also in 5 Monaten professionell ein kleines Unternehmen aufzubauen oder im Falle einer Anstellung sich so zu verhalten, als ob sie selbst Unternehmer wären und bringen auf diese Weise das Unternehmen in dem sie später arbeiten ordentlich voran. Wieder Fuß fassen, nicht rückfällig werden, eine sichere Chance sehen – dafür steht Leonhard (www.leonhard.eu)
Unternehmertum für Gefangene – Führungskräfte erweitern hier Ihren Blick
Mir geben die „Lumpen“ mit ihrer Direktheit und Aufrichtigkeit extrem viel zurück. Wenn Sie nun mehr über das Leonhard-Projekt und deren Teilnehmer erfahren möchten, schauen sich doch mal folgenden Fernsehbeitrag an.
http://www.galileo.tv/video/das-leonhard-programm-vom-haeftling-zum-unternehmer-2/
Ich hoffe, er motiviert Sie als Arbeitgeber/in, Mentor/in oder Spender/in aktiv zu werden.
Mit Grüßen aus dem Ring
Peter Flühr