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12. Juni 2022 – Qualifizierung von Führungskräften »Der Blog aus dem Ring« Starke Zweifel

 

Am Anfang habe ich an mir selbst und den Körperübungen, die ich in den Seminaren für Führungskräfte und Coaches angeboten habe, gezweifelt. Besonders die Nächte in den mehrtägigen Veranstaltungen waren für mich die Hölle. Wieder und wieder fragte ich mich im Bett wälzend, ob zum Beispiel die Körpereigenmassagen, Balance- und Atemübungen, die ich um 7 Uhr, schon vor dem Frühstück mit den Teilnehmern praktizierte, auf unüberwindlichen Widerstand treffen würden. „Muss ich für solch einen Schmarrn wirklich aufstehen? Diese Körperarbeit kannst Du alleine machen!“ Das waren Sätze, die mir gegenüber zwar nie geäußert wurden, aber immer wieder in meinen mich selbst zermürbenden Selbstgesprächen zwischen 22 Uhr und 5 Uhr auftauchten.

Die Sorge, andere Menschen mit diesen exotisch anmutenden und doch letztlich banalen Körperübungen unnötig zu belästigen, dominierte meine Gedankenwelt in den ersten Jahren als sogenannter Ressourcenmanager. Was mich zusätzlich belastete, war das Wissen, dass all‘ meine Lehr*innen die einzelnen Übungen noch viel formvollendeter hätten darbieten können. Wenn schon, dann sollten ausschließlich diese Virtuosen die Übungen vermitteln.

Zermalmt durch den Druck von allen Seiten

Es hat Jahre gedauert, bis mir dämmerte, wie wertvoll meine körperlichen Beiträge für Menschen waren, die in Organisationen zwischen den Erwartungen der Geschäftsführung und denen der Mitarbeiter zermalmt wurden. Die, die da morgens extra aufstanden, waren Persönlichkeiten, die sich nach Freiräumen sehnten, in denen sie einfach entweder nur schlafen, atmen, balancieren oder schlicht den Moment genießen konnten.

(© Photo by Mauricio Santanna on Unsplash)

Warum ist Körperarbeit so wirksam?

Wenn wir in stressigen Situationen von so scheinbar banalen Dingen wie dem Balancieren auf einer Slackline als Mensch absorbiert werden, vergessen wir die Sorgen aus der Vergangenheit und unsere Zukunftsängste, bekommen eine Ahnung davon, wie erfüllend und einfach das Leben sein kann. Was gibt es Schöneres als auf einem Seil zwischen zwei Baumstämmen gelassen zu balancieren oder sich im See vom Wasser tragen zu lassen.

Es war ein Ringen, das sich gelohnt hat.

Meine Scham beim Anbieten von solchen Aktivitäten ist immer noch nicht komplett verschwunden. In mir gibt es immer noch eine Stimme, die sich über die Banalitäten bzw. Warmduscher-Übungen lustig macht. Doch sie ist viel leiser und wohlwollender geworden. Denn inzwischen weiß ich nicht nur, sondern bin davon überzeugt, dass, wenn uns in Momenten der Angst und des alltäglichen Kämpfens etwas beruhigen kann, dann sind es diese vermeintlich simplen körperlichen Auszeiten. Mehr als 30 davon sind inzwischen auf diesem Kanal zu finden. All‘ die Kniffe haben nicht nur eine beruhigende, sondern darüber hinaus eine stärkende Wirkung. Im Nachhinein bin ich sehr glücklich, mich durch die grausamen Nächte des Zweifelns durchgekämpft zu haben. 

Mein persönlicher Weg

Auf diese Weise konnte sich über die Jahre eine Sicherheit in mir ausbreiten, die mich jetzt bei Widerständen in Trainings nicht lähmt, sondern neugierig und gelassen sein lässt. Jedes Mal, wenn ich mit den körperlichen Übungen andere Menschen irritiere und letztlich doch inspirieren kann, dann freut mich das außerordentlich. Die physischen Übungen sind zwar im Laufe der letzten 25 Jahre in meinen Seminaren etwas in den Hintergrund getreten, aber trotzdem immer noch wesentlicher Bestandteil, ohne den die Veranstaltungen nicht vollständig wären. 

Mit Grüßen aus dem Ring des Alltags

Peter Flühr

Bildnachweis Titelbild: © Photo by Mauricio Santanna on Unsplash

Kommentare

  • Thomas Brandenburger 13. Juni. 2022, 6:20

    Lieber Peter, Danke für deine Inspirationen und die ehrlichen Worte. Diese Selbstzweifel kennt vermutlich jeder Coach, der mit Empathie und Sensibilität arbeitet. Gut das du durchgehalten hast!
    Viele Grüße aus Dillenburg, Thomas Brandenburger

  • Gerhard Bruns 13. Juni. 2022, 7:30

    Ach, Peter, wenn wir das geahnt hätten!
    Deine Leichtigkeit und Sicherheit beim Anleiten und Vormachen hat uns doch alle sanft aus dem Schlaf gerüttelt. Die Körper-Übungen abends beim Konfliktseminar 2001 haben mir so leichtfüßig die Augen geöffnet. Ich habe das heute noch so präsent.
    Gut, dass du deine Zweifel überwunden hast
    Liebe Grüße
    Gerhard

  • Peter Fluehr 13. Juni. 2022, 8:46

    Guten Morgen Thomas und Gerhard,
    vielen Dank für Eure Resonanz! Ich selbst habe mich immer gewundert, wie lange es doch dauert, bis die Selbstzweifel und die Zweifel am Konzept sich langsam in den Hintergrund bewegten. Ich denke, ich bin da in guter Gesellschaft. Die meisten Trainer und Trainerinnen, die ich kennenlernen durfte, sind oder waren mit einem ähnlichen 'Gepäck' unterwegs. Viele Grüße Peter

  • Werner Speth 13. Juni. 2022, 11:09

    Hallo Peter
    Ich hoffe es geht dir gut.
    Ich finde deine Übungen und Tipps in Sachen Körper sehr gut.
    Ich habe vielleicht noch eine zusätzlich Idee. In Sachen Zellaktivierung Lympfluss usw soll das Wippen und die Übungen auf einem Minitrampolin hervorragend und zeitlich auf jeden Fall machbar sein. Hast du hier Erfahrungen bzw wie ist deine Meinung
    Gruss aus dem Odenwald
    WERNER SPETH

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Peter Flühr

Hallo,

ich bin Peter Flühr, seit mehr als 20 Jahren Coach und Trainer.

Viele Fach- und Führungskräfte erleben ihren beruflichen Alltag vor allem als Kampf.

In meinen Seminaren und Trainings zeige ich, wie man jeden Tag aufs Neue in diesem Ring besteht – mit einer Kombination aus mentalen Methoden und gezielter Bewegung.

In meinem Blog greife ich Themen auf, die viele aus ihrem Alltag kennen und gebe einfache Tipps, wie sie sich verbessern oder lösen lassen.

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