springe zum Hauptinhalt

18. September 2017 – Qualifizierung von Führungskräften »Der Blog aus dem Ring« Spring mal wieder!

 

Ernüchternde Bewegungsbilanz im September 2017:
Seit Jahren schon in keine Pfütze mehr gesprungen, auf keiner Bordsteinkante balanciert und Zäune aus Vorsicht gemieden - aber trotzdem im Beruf agil sein wollen. Hier können "Mikroabenteuer" viel bewirken.

Denn sie sind einfach, effektiv und kostenfrei. Erfahren Sie in diesem Blog mehr über diese raffinierten "Kraftzwerge"! 

München, jeden ersten Dienstag im Monat das gleiche Bild. Es ist 11:45 Uhr. Seit knapp drei Stunden sitzen Mark, Katharina und die übrigen acht Projektmitglieder eines Finanzdienstleisters wieder im Raum 08/15 und reden sich die Köpfe heiß. Ihr Team soll, wie die meisten anderen Unternehmensbereiche, „Knall auf Fall“ agiler werden!

Raus aus dem Diskussionskoma

Aus Rainer, dem Controller, bricht es kurz vor Ende des Status-Meetings heraus: „Das mit dem Agilitätshype geht bestimmt bald wieder vorbei!“
Steffi meint: „Wir sind doch schon ziemlich agil, lasst uns das selbstbewußter nach ‚oben‘ kommunizieren, dann ist Ruhe!“
Holger will es mit ‚Design Thinking‘ als Methode probieren: „Mit der würde das aktuelle Projekt sicher reibungsloser laufen!“ 

Die Schlucht vom Reden zum Tun überbrücken

Sie kennen wahrscheinlich auch solche Veranstaltungen. Sie münden gerne in gegenseitige, persönliche Schuldzuweisungen oder beharrliches, sarkastisches Schweigen. Mark sitzt also kurz vor zwölf Uhr erschöpft am Tisch und ärgert sich über die spärlichen Ergebnisse. Von dort aus schleppt er sich durch die Gänge zur Kantine. Mal sehen, was es heute zu essen gibt. 

Disruptive Innovationen – das berufliche ‚Gelände‘ wird rauer

Auch ich werde Ihnen diesen öden Satz nicht ersparen. „Wir leben in einer Zeit der schnellen ‚Brüche‘, in der neue Technologien in kürzester Zeit ganze Geschäftszweige überflüssig machen.“
Von Mark, dem Projektleiter, weiß ich, er kann ihn nicht mehr hören, ohne innerlich die Augen zu verdrehen.
Als Trainer bekomme ich das seit zehn Jahren hautnah mit, wenn ganze Teams aus der Finanz- und Energiebranche sich nun neu erfinden, permanent umstellen und damit ihr Verhalten kreativ anpassen sollen, einfach nicht verstehen, was sie konkret zu tun haben! Probieren wir’s einfach doch mal mit einem anderen Wort: 

Die Kompetenz ‚Geländegängigkeit‘ trifft es meines Erachtens besser als Agilität 

Jeder, der solche Umwälzungen, Brüche oder Neuanfänge auf sich zukommen sieht und sich davon nicht überwältigen lassen möchte, der braucht eine robuste Geländegängigkeit.

Die fällt nicht vom Himmel auf die in Besprechungsräumen sitzenden Menschen, sondern wird durch z.B. über Pfützen springen begünstigt. Ich finde diesen Begriff viel motivierender und griffiger als den der ‚Agilität‘. Mir persönlich fehlt bei dem Begriff ‚Agilität‘ vor allem die Komponente ‚Bodenhaftung‘. So denken die meisten Menschen, wenn sie das Wort hören, ausschließlich an Schnelligkeit und Wendigkeit. Was hier definitiv fehlt, ist der sichere Kontakt zur Erde, der die Grundlage für die jeweils nächste Aktion schafft.

Sitzend und zunehmend statischer irren Mark und die Teammitglieder ohne Energie und klare Koordinaten von Argument zu Argument. 

Die gute Nachricht: Es geht auch anders. Z.B. im Coaching. 

Sich in ständig wechselndem Terrain sicher bewegen zu können, ist keine rein intellektuelle Sache, sondern eine Frage der tagtäglichen Erfahrungen. Ohne lebendige Körperintelligenz geht da nämlich gar nichts.   

(© m-imagephotography)

Lassen Sie mich an einem Beispiel aus der Kampfkunst erläutern, warum durch dieses Defizit an Geländegängigkeit so viele Menschen im ‚Change-Getümmel‘ scheitern!

Geschickt sein, reicht schon lange nicht mehr.

Von Wilhelm Mertens, einem der leidenschaftlichsten und erfahrensten Taijiquanlehrern Europas, habe ich 1999 im Rahmen der Ausbildung eine sehr interessante Unterscheidung kennengelernt, die mir in den letzten 18 Jahren half, im ‚Change-Dschungel‘ den Überblick zu bewahren. Mertens differenziert in Kampfsituationen präzise zwischen „Geschicklichkeit“ und „Gewandtheit“. 

Nicht alle Ziele verhalten sich still und bleiben konstant 2,37 Meter entfernt!

‚Geschickt‘ ist seiner Definition nach eine Person, die ihr Leben lang auf eine ganz spezifische Aufgabe hin trainiert und diese dann brillant bewältigt. Stellen Sie sich einen Profi-Dartspieler vor. Er trainiert stunden-, tage- und jahrelang auf eine 2,37 Meter entfernte Scheibe exakt zu zielen! Außerhalb dieser eng begrenzten Regel- und Übungswelt fehlen ihm ziemlich sicher adäquate Lösungen! – Ein Dartspieler hat sich eine sogenannte Silokompetenz erworben. Mit dieser isolierten Fähigkeit gerät er im sich permanent wandelnden Alltag allerdings schnell in Stress. Denn nicht alle Ziele befinden sich in genau diesem Abstand und werden auch nicht gerne mit Pfeilen beworfen.

Die Kunden wollten aber doch gestern noch etwas ganz anderes!? 

‚Gewandt‘ ist im Gegensatz dazu jemand, der sich ein tragfähiges und vor allem breites Erfahrungsfundament gelegt hat. Also, um im Bereich Sport zu bleiben, nicht nur dartet, sondern auch ab und an schwimmt, wirft, springt und läuft. Mit diesem koordinativen Bewegungsschatz gewinnen Menschen die Sicherheit, die sie brauchen, um sich in den unterschiedlichsten Szenarien und bei wechselndem Regelwerk auch kognitiv schnell zu orientieren und organisieren.

Wollen Sie mich verar…..?

Diese Frage, wurde mir so, oder sehr ähnlich gestellt, wenn ich in einem laufenden Training die Teilnehmer darum bat, über einen Gegenstand zu springen.

Doch was, glauben Sie, passiert, wenn das Team von Mark und Katharina 5 Prozent der gesamten Meetingzeit, also knapp 10 Minuten, in ein Orientierung gebendes Gewandtheitstraining investieren würde?
Ich habe es oft erlebt, wie Menschen im Rahmen solcher unkonventionellen Maßnahmen mich erst fassungslos anschauten und dann nach überwundenem Widerstand und absolvierter Praxis an innerer Klarheit und Lebendigkeit gewonnen haben. 

Newtons Gesetze verstehen – dann darf sich das ‚Gelände‘ gerne verändern! 

Vom Gewandtheitstraining zurück in die Berufswelt. Ein geländegängiger Mensch hat die Naturkräfte, die nun mal beim Thema ‚Agilität‘ eine tragende Rolle spielen, nicht nur in Physik kurz gelernt, sondern durch sein alltägliches Leben verinnerlicht. Isaac Newton war ein hellwacher Mensch, dem es die unsichtbaren und dennoch permanent auf uns einwirkenden Kräfte angetan hatten. Sie wissen, Newton war der, dem der Apfel auf den Kopf fiel, als er unter dem Baum ruhte. Es beließ es nicht beim eigenen Kopfschmerz, sondern erforschte ab diesem Zeitpunkt leidenschaftlich die Ursache dieser Erschütterung.

(© m-imagephotography)

Wie lerne ich die Dynamik wieder lieben und werde dadurch agiler?  

Ganz einfach! Es gilt die alltäglichen Bewegungsabenteuer des Lebens wieder für sich zu entdecken. Ganz ohne Fitness-Studio und Meditationskissen. Ich nenne diese Aktivitäten „Mikroabenteuer für mehr Bodenhaftung und Orientierung“. Sie verbinden den Verstand und den Rest des Körpers auf optimale Weise. Bevor Sie sich also das Gesäß in Sitzungen zum Thema ‚Agilität‘ wieder einmal wie Mark und sein Team frustriert platt sitzen, werden folgende Übungen Ihnen selbst, Ihrer Körperintelligenz und den Meetings wertvolle Impulse geben:

Mikroabenteuer 1: Stellen Sie eine Kaffeekanne auf den Boden und springen darüber!
Mikroabenteuer 2: Schrauben Sie das Beamerkabel ab und springen Sie damit Seil!
Mikroabenteuer 3: Stellen Sie den Beamer auf den Boden und springen darüber!

Das können Sie unmöglich ernst meinen, ...

werden Sie sich jetzt wahrscheinlich denken. Die Anwesenden würden mich beim Springen für verrückt erklären. Doch, das meine ich ernst! Denn ausschließliches Sitzen lähmt langfristig jedes noch so vitale Team und das kann sich kein Unternehmen der Welt mehr leisten!

Wenn Beamerkabel-Seilspringen nicht Ihr Ding ist, vielleicht inspiriert Sie dann das Buch von Alastair Humphreys, Microadventures.

Seine Kernidee finden Sie auch im Spiegel-Online-Artikel: Spring in den Fluss - und ab ins Büro

Ich wünsche Ihnen jedenfalls viele, kurzweilige, einfache und Kraft gebende Mikroabenteuer.  

Mit dynamischen Grüßen aus dem Ring

Peter Flühr

P.S.: Von Maja Fortune habe ich einen wertvollen Videotipp bekommen. Hier wird auf hervorragende Weise erklärt, was 'agil' ist und was eben auch nicht!

Bildnachweis Titelbild: © Tassii

Kommentare

  • Sandra 18. September. 2017, 17:19

    Ich habe diesen Artikel sofort an meinen Chef weiter geleitet.
    Ja, die Finanzwelt braucht diese Menschen, sonst bleiben einige in der Welt der rasanten Wandlungen auf dem Standstreifen stehen...

  • Peter Flühr 19. September. 2017, 10:56

    ... dann schon lieber bis zu den P & R - Arealen durchhalten, dort eine echte Pause machen und erfrischt durchstarten!

  • Henry Hammerschmidt 20. September. 2017, 18:25

    Hallo Peter, habe Deinen Blog gerade an alle Agile Coaches - zu denen ich auch gehöre zu gesendet. Mal sehen was es dazu für Rückmeldungen gibt. Vielen Dank für Deine Energie, Henry (Janus, Studiengang Coaching)

  • Henry Hammerschmidt 20. September. 2017, 18:25

    Hallo Peter, habe Deinen Blog gerade an alle Agile Coaches - zu denen ich auch gehöre zu gesendet. Mal sehen was es dazu für Rückmeldungen gibt. Vielen Dank für Deine Energie, Henry (Janus, Studiengang Coaching)

  • Peter Flühr 20. September. 2017, 19:15

    Hallo Henry, klasse, vielen Dank! Es würde mich freuen, wenn wir uns mal wieder sehen. Herzliche Grüße
    Peter

  • Jürgen Thaller 08. Oktober. 2017, 14:06

    danke peter, ich hätte da noch nen Tipp für ein Mikroabenteuer bevor man überhaupt im Büro ankommt. das Handy wegstecken, sich nicht mit dem Auto in den Stau sondern mit dem Fahrrad oder den 'öffentlichen' auf den weg machen und mit den Augen, der Nase und den Ohren die Umwelt und die menschen um sich herum erforschen und entdecken .... und dabei lächeln!!

* Die mit einem Stern * markierten Felder sind Pflichtfelder.

Sie können Ihre Einwilligung jederzeit für die Zukunft per E-Mail an widerrufen.

Detaillierte Informationen zum Umgang mit Nutzerdaten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Kommentar senden
Peter Flühr

Hallo,

ich bin Peter Flühr, seit mehr als 20 Jahren Coach und Trainer.

Viele Fach- und Führungskräfte erleben ihren beruflichen Alltag vor allem als Kampf.

In meinen Seminaren und Trainings zeige ich, wie man jeden Tag aufs Neue in diesem Ring besteht – mit einer Kombination aus mentalen Methoden und gezielter Bewegung.

In meinem Blog greife ich Themen auf, die viele aus ihrem Alltag kennen und gebe einfache Tipps, wie sie sich verbessern oder lösen lassen.

Viel Spaß beim Lesen!

Bleiben Sie
auf dem Laufenden!

Newsletter