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09. Juli 2020 – Persönlichkeit »Der Blog aus dem Ring« Sich freispülen

 

Wer den Blogbeitrag lieber hören möchte, klickt bitte hier:

Aktuell verbringen wir noch mehr Zeit vor Maschinen als schon vor dem Lockdown. Da müssen wir aufpassen, ein nicht noch schrägeres Bild von uns selbst zu entwickeln. Unsere Sprache kann sehr aufschlussreich sein. Erinnern Sie sich an Ihren letzten Besuch beim Orthopäden. Meistens hängt in der Ecke ein Skelett und der Arzt spricht in abgeklärtem Ton und wenig Mimik über Ihre Gelenksituation – hält ein Modell eines Kniegelenkes oder wahlweise zweier Bandscheiben hoch, erklärt Ihnen kurz die Mechanik dieser Bauteile, zeigt dann auf die Stelle, die bei Ihnen schmerzt, schickt Sie in die Kernspintomografie, verschreibt Ihnen ein entzündungshemmendes Medikament und draußen sind sie wieder. Außerhalb von Arztpraxen sieht es nicht viel besser aus.

Seltsame Bilder – ungesunde Konsequenzen

Dieser distanzierte Mechanikerblick auf den eigenen Körper irritiert mich schon sehr lange. Allein der Begriff ‚Bewegungsapparat‘ führt uns auf eine ganz falsche Fährte. Wir sind weder Apparate noch sind wir Maschinen, sondern lebendige Wesen aus Fleisch und Blut. Warum dieser Tatbestand zu so wenigen durchdringt, ist mir ein Rätsel. Wenn ich glaube, dass mein Körper eine Ansammlung von mechanischen Einzelteilen ist, die nur ordentlich repariert oder gewartet werden müssen, dann gehe ich vermutlich auch davon aus, dass ich in der Zwischenzeit die Kiste - also den eigenen Organismus - benutzen kann, wie mein Auto, die Kaffeemaschine oder das Handy. Es fehlt nur noch, dass ich mir wünsche, dass die Spezialisten in der Werkstatt das aktuelle Software-Update draufspielen sollen.

Doch es geht auch anders

Wenig hat mein Leben so bereichert, wie die Menschen- und Bewegungsbilder aus dem Taijiquan – dem asiatischen Schattenboxen. Sie sind zwar mehrere tausend Jahre alt, aber für uns Menschen immer noch top aktuell. Hier wird nicht von Gelenken gesprochen, die aneinander reiben wie Mühlsteine, sondern von Flussabschnitten in unserem Organismus, die sich elastisch weiten und schließen können, von Wellenbewegungen und vielen anderen Naturphänomenen. Aus biomechanischer Sicht ist das natürlich Quatsch. Doch für einen Menschen, der sich fließend und leicht bewegen will, ist z.B. ein inneres Flussbild, in dem sich im eigenen Körper Schleusen öffnen und schließen können, viel zieldienlicher als ein Knochen-auf-Knochen-Bild.

(© istock-loveandwater)

Qualitätsunterschiede selbst spüren

Machen Sie den Test. Sie brauchen nur ein paar Schritte gehen und können sofort den Unterschied spüren. Stellen Sie sich dazu einfach vor, dass beide Beine mit flüssigen, hochelastischen Muskeln gefüllte Faszienhüllen sind. Nun füllen Sie beim Gehen den Inhalt vom Standbein in Ihr Schwungbein, wie Wasser von einem Eimer in einen anderen. So leicht, leer und frei das eine Bein ist, so kraftvoll und gespannt ist dann das andere. Das entspricht nicht den physikalischen Tatsachen und doch bildet es unser Erleben, wenn wir im Flow sind, ziemlich genau ab.

Durchspülen leichtgemacht

Im Taiji sprechen wir beim Bewegen immer von einem jeweils leeren und einem vollen Bein. Wir spülen also die ganze Zeit unsere Beine und den restlichen Körper auf genial einfache Weise durch. Mal die eine Seite, mal die andere. Schauen Sie doch z.B. in das Taiji-Video rein, vielleicht erkennen Sie dort den fließenden Wechsel von leer und voll, leicht und kraftvoll, Yin und Yang. 

Flussbilder können uns das Leben leichter machen

Gerade als Kontrast zu all' diesen verkrampften Szenen im Bus, beim Lebensmittelhändler oder wo auch immer, können archaische Bewegungsbilder, die unserem Organismus gerecht werden, viel Positives bewirken. Vitalität ist nichts Fixes. Vitalität entsteht beim Durchspülen von Geist und Körper. Probieren Sie es doch mal mit artgerechten inneren Bildern aus. Eric Franklins Bücher sind wahre Schätze für Menschen, die auf der Suche nach solchen Bildern sind. 

Mit Grüßen aus dem Ring des Alltags - auch an Ihren Orthopäden ;-)

Ihr Peter Flühr

Bildnachweis Titelbild: © istock-loveandwater

Kommentare

  • Monika Debus 10. Juli. 2020, 10:16

    Hallo Peter,

    dein Beitrag hat mich mal wieder ein Stück weiter gebracht. Ich mache seit einigen Jahren Tai Chi und da lässt man ja Energie fließen. Sich das als Wasser vorzustellen ist eine ausgezeichnete Idee. Auch deine Musikauswahl zu Tai Chi finde ich echt klasse. Eher ungewöhnlich, aber durchaus, zumindest zeitweise , je nach eigener Stimmung, angebracht. Liebe Grüße Moni

  • Peter Flühr 10. Juli. 2020, 10:51

    Hallo Moni,
    prima, das freut! Mich hat Franz Redl vor 20 Jahren auf die Idee gebracht, nicht nur in der Stille - was natürlich auch genial sein kann - sondern auch mit afrokubanischen und anderen Rhythmen beim Taiji zu experimentieren. Da ich gerade seinen Namen verlinken wollte, habe ich gesehen, dass er im Januar diesen Jahres gestorben ist. Er war wirklich ein beeindruckender Mensch. Seine Impulse leben auf jeden Fall weiter.
    Grüße Peter

  • Sandra 12. Juli. 2020, 8:40

    Lieber Peter, an dieser Stelle möchte ich Dir. einmal dafür danken, dass Du schon vor 20 Jahren mein Leben und somit meine Kurse mit genau diesen Themen bereichert hast. Vieles ist immer noch Bestandteil. Die Bücher von Franklin sind super... Danke, Sandra

  • Astrid Kammerer 15. Juli. 2020, 19:03

    Lieber Peter, herrlich bei den 5 Elementen endlich einmal wieder von dir begleitet zu werden! Sie sind immer noch ein fester Bestandteil, ebenso die Atemharmonisierung und die Huang-Übungen. Wie in alten Zeiten, deine Musikauswahl hat sich jedoch geändert. Gefällt mir gut! Experimentierfreudig warst du ja schon immer! Herzliche Grüße Astrid

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Peter Flühr

Hallo,

ich bin Peter Flühr, seit mehr als 20 Jahren Coach und Trainer.

Viele Fach- und Führungskräfte erleben ihren beruflichen Alltag vor allem als Kampf.

In meinen Seminaren und Trainings zeige ich, wie man jeden Tag aufs Neue in diesem Ring besteht – mit einer Kombination aus mentalen Methoden und gezielter Bewegung.

In meinem Blog greife ich Themen auf, die viele aus ihrem Alltag kennen und gebe einfache Tipps, wie sie sich verbessern oder lösen lassen.

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