Weshalb das Rutschen über eine Plane mit Wasser in vielen Fällen erfüllender ist als das Wischen über das Smartphone, erläutere ich im Blog.
Wollten wir früher mit dem Auto irgendwo hinfahren, dann war die übliche Antwort auf die Frage „Wo steht Dein Auto?“ nicht folgende, „Es steht in der Garage!“, sondern „Ich stehe in der Garage!“. In dem Buch ‚Anleitung zum Herzinfarkt‘ beschreibt Ludwig Bernhard, österreichischer Arzt und Kaberettist, schon 1988 unser enges Verhältnis zu Gegenständen und unsere Distanz zu uns selbst. Waren es damals die Autos, mit denen wir uns identifizierten, so sind es jetzt die Smartphones, die ein Teil von uns sind. Haben Sie auch schon mal einen stechenden Schmerz erlebt, als Sie merkten „Oh, ich habe mein Handy nicht dabei!“ Das Phänomen nennt sich Phantomschmerz.
Die virtuelle Welt unter den eigenen Fingerkuppen
190 Meter wischen wir am Tag im Schnitt über den kleinen Bildschirm. Rauf, runter, nach links und rechts. Die Streckenangabe stammt aus einer Studie von Rüdiger Maas, einem Cyberpsychologen aus Augsburg. Stimmen diese Zahlen auch nur annähernd, dann findet das Leben inzwischen vorwiegend außerhalb von uns selbst statt. Wir starren auf und staunen über die Bilder, die auf unsere Netzhaut gezaubert werden. Und im Alltag fallen aufschlussreiche Sätze, die zeigen, wie weit wir uns von uns selbst entfernt haben:
- Wenn wir vom Standort des Autos sprechen: „Ich stehe in der Garage!“
- Beim Physiotherapeuten: „Mein Knie macht nicht mehr, was ich will. Können Sie diese Schmerzen wegmachen!“
- Beim Psychologen: „Mein Körper kommt einfach nicht mehr zur Ruhe!“
- Vor dem Wochenendausflug: „Ich gehe heute in die Natur!“ Als ob wir selbst kein Teil der Natur wären, wir müssen da erst hingehen …
Erst gestresst und dann gelangweilt
Sich selbst erleben die meisten Menschen selten als etwas Spannendes. Unsere Gedanken kreisen, wenn wir nicht gerade über das Leben anderer scrollen, um Bilder, die wir produzieren und dann hochladen könnten. Dieser Modus ist anstrengend und fad. So verplempern wir unsere Freizeit mit Wischen und Suchen. Natürlich kenne auch ich all‘ die guten Gründe, warum wir das tun. Auch ich lasse mich immer wieder von den bunten Verlockungen hinter der Glasscheibe informieren, beruhigen und unterhalten. Es ist ein nicht enden wollendes Tauziehen um unsere Lebenszeit.
Eine verrückte Lösung
An die Unterstimulation unterhalb des Schädels haben wir uns schon in einem Maße gewöhnt, dass wir diesen Bewegungsmangel gar nicht mehr als Problem erkennen. Wir legen den ganzen Körper stundenlang lahm und wundern uns dann über die erbärmliche Verfassung. Dieses Unwohlsein überlagern wir mit weiterem ‚Wischen am Handy‘. Das tun wir immer in der diffusen Hoffnung, dass es uns sicher gleich besser gehen wird. Würde die Bildschirmdiagonale nicht nur 5-6 Zoll betragen, sondern wäre größer als wir, dann könnten wir uns zumindest mit dem ganzen Körper darüber rollen oder von Bild zu Bild springen, vorausgesetzt das Panzerglas hielte es aus.
Eine Lösung für den Hochsommer
Bis die Smartphone-Produzenten auf diese Idee reagieren, müssen wir andere Wege finden, die Bereiche zwischen den Fingerkuppen und Augen wiederzubeleben. Eine selbstgemachte Wasserrutsche ist z.B. so eine Alternative. Alles, was wir dazu brauchen, sind eine kleine Rasenfläche, eine Plastikplane und einen Eimer Wasser.
Mit Grüßen aus dem Ring des Alltags
Peter Flühr
Bildnachweis Titelbild: © Luke Porter auf unsplash