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10. September 2023 – Stressbewältigung »Der Blog aus dem Ring« Bitte gehen Sie!

 

Die Bergkulisse ist umwerfend. Schräg über uns die Zugspitze und vor uns liegt friedlich der Eibsee. Alles ist vorbereitet für das „2-tägige Selbstmanagement-Training“. Die Stimmung im Raum ist - vorsichtig formuliert – angespannt. Auf meine erste Frage in die Runde „Was wünschen Sie sich für die nächsten zwei Tage?“ antwortet nach langer Pause ein Mitarbeiter aus dem Vertriebsteam eines Automobilherstellers. „Wenn Sie den Raum verlassen würden und wir in Ruhe unserer Arbeit nachgehen könnten, wäre uns sicher am meisten geholfen! Nehmen Sie es nicht persönlich, aber wir alle haben wirklich gar keine Zeit für solch ein Training. Bei uns im Unternehmen brennt es lichterloh, da kann ich beim besten Willen nicht rumsitzen und ‚Ohm‘ machen. Bitte lassen Sie uns einfach unsere Arbeit machen!“ Zustimmendes Nicken der Anwesenden. Stille. 

Zum Seminar verdonnert

Solche Aussagen zum Auftakt einer Veranstaltung sind in firmeninternen Trainings, die den Mitarbeitern verordnet werden, seit Jahren eher die Regel als die Ausnahme. Nicht immer trauen sich die Menschen, so klar auszusprechen, welche Interessenskonflikte sie gerade quälen und dass sie einfach nur alles 'wegarbeiten' möchten. Als Seminarleiter kann ich diese inneren Qualen fast mit den Händen greifen und auch selbst bestens nachvollziehen. Wenn mir jemand in einer Stresssituation von außen diktiert „Sie reflektieren jetzt mal Ihr Arbeitsverhalten!“, dann frohlocke ich auch nicht.

Warum bucht das ein Unternehmen für seine Mitarbeiter?

Beim Lesen dieses Beitrags stellen Sie sich vermutlich folgende Frage: „Warum verpflichten die Unternehmen ihre Mitarbeiter trotz der massiven Überlastungen dann zu solch einem Seminar. Das erzeugt doch zusätzlichen Stress?“ Ganz einfach! Immer mehr Leistungsträger (das Gleiche gilt auch für die Lehrer in den Schulen) können nicht mehr. Sie kämpfen mit Tinnitus, Schlafstörungen und andauernden Erschöpfungszustanden. Ein Vertriebler, der einen großen Teil seiner Energie in das Bewältigen bzw. Kaschieren seiner gesundheitlichen Probleme investiert, kann seine Arbeit beim besten Willen irgendwann nicht mehr sinnvoll nachkommen. Die Firmen befinden sich in einem Dilemma und immer mehr entscheiden sich nicht nur wegen den dramatisch ansteigenden Krankheitstagen für das Trainieren von Stressmanagement-Skills.  

Den Start des Trainings erleben die Betroffenen als innerliche Zerreißprobe. Es ist für die meisten Menschen ein Kraftakt, sich unter Druck Zeit für die eigene Gesundheit zu nehmen. Die langfristige Rechnung ist ganz einfach. Wer ernsthaft krank wird, steht beruflich monatelang gar nicht mehr zur Verfügung und das tut richtig weh.

Als Sportwissenschaftler, der seit über 25 Jahren mit (über-)engagierten Menschen zusammenarbeitet, weiß ich, wie groß die Verlockung ist, sich mit besten Absichten gesundheitlich komplett zugrunde zu richten. Die eigenen Belastungsgrenzen kennenzulernen, kann etwas Lustvolles sein und gehört zu einem erfüllten Leben. Sie allerdings permanent zu ignorant zu überschreiten, ist einfach nur dumm.

So seltsam es auch klingen mag, der anfängliche Seminarfrust kann sehr wertvoll sein. Wenn es gelingt, den aufgestauten Ärger, die Sorgen und die damit verbundene Energie über den unpassenden Zeitpunkt konstruktiv ins Training einfließen zu lassen, z. B.

  • durch das Entschärfen toxischer Selbstgespräche,
  • durch das Integrieren effektiver Auszeitenrituale,
  • und durch klärende Gespräche mit Kollegen,

dann können sich die beiden Tage für die Menschen und das Unternehmen mehrfach auszahlen. Und genau deshalb bleibe ich im Raum.

Mit Grüßen aus dem Ring des Alltags

Peter Flühr

P.S.: Ein Infofilm zum Thema darf natürlich nicht fehlen.

Bildnachweis Titelbild: © Foto von Daniel Seßler auf Unsplash

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Peter Flühr

Hallo,

ich bin Peter Flühr, seit mehr als 20 Jahren Coach und Trainer.

Viele Fach- und Führungskräfte erleben ihren beruflichen Alltag vor allem als Kampf.

In meinen Seminaren und Trainings zeige ich, wie man jeden Tag aufs Neue in diesem Ring besteht – mit einer Kombination aus mentalen Methoden und gezielter Bewegung.

In meinem Blog greife ich Themen auf, die viele aus ihrem Alltag kennen und gebe einfache Tipps, wie sie sich verbessern oder lösen lassen.

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